Persönlich: Verschiedenheit oder ein kleines bißchen Schizophrenie?
Ich mach mir ja immer wieder Gedanken....und gerade erlebe ich mich in seltsamer, anstrengend gespaltener Verfassung...und dann ist mir dazu etwas Spannendes in meiner Biographie aufgefallen.
Aber, von vorne, meine Verfassung:
Einerseits habe ich - mit immerhin schon 60 Jahren Lebenerfahrung in dieser Verkörperung - ein Bild (ups....s.u., Bild machen ;-) ) von der Welt, eine Meinung über mich, Vieles an mir mag ich auch...(so Manches auch nicht...)
Ich bin - das weiß ich oft gut zu verbergen - nicht besonders konfliktfähig. Ich werde gerne gemocht, und kann es nicht gut aushalten, wenn Menschen mich doof finden, mich nicht mögen...das macht dann schon auch mal massive Magenschmerzen...
Ich habe Techniken entwickelt, damit umzugehen....ich vermeide Konflikte, tummele mich da, wo ich mich sicher fühle (Menschen, Meinungen), ducke mich auch schon mal weg, wenn ich eigentlich zu meiner Meinung, Ansicht, zu meinem Vorgehen, stehen soll...richtig gut finde ich mich dann nicht, verstehen kann ich mich schon...
Lange Zeit ist mir das ganz gut gelungen. Ich hatte meine privaten Kontakte so gewählt, daß in vielen Bereichen Übereinstimmung herrscht...(das ist ja auch normal, daß Mensch so sein Privatleben einrichtet).. in der Familie geht das schon mal nicht so gut, aber, naja.....In meinem Beruf ist Einfühlung, Verstehen, Begleiten gefragt, da ist meine Meinung ja durch meinen Arbeitsauftrag unterrepräsentiert..also: kein Problem...
Und jetzt: jetzt ist "alles anders": die tiefe - meiner Meinung nach durch Angst und Suche nach Sicherheit hervorgerufene - Spaltung der Gesellschaft ist bis in meinen privaten Raum gedrungen....und ich beobachte mich dabei, wie verunsichert ich bin, und wie seltsam ich mich verhalte, und wie ich versuche, damit umzugehen....
Manchmal traue ich mich aus der Deckung, und beziehe Stellung...in einer stark polarisierten Welt, in der eine Meinung viel mehr als zuvor ein "Freundschafts-Ausschluß-Grund" geworden ist.....und das macht MIR totale Angst, daß Beziehung, Freundschaft, Liebe an Meinungen zerbrechen kann...dann ducke ich mich wieder weg...dann verlege ich mich auf das, was ich gelernt habe, und wo ich mich sicher fühle...und dann komme ich wieder mit etwas komplett aus der Deckung....puh, anstrengend, aber so ist das im Moment, ich kann halt auch nicht ganz still sein, irgendwie.... hab ich versucht.... scheinbare Eindeutigkeit geht auch nicht..
Und dann ist mir eingefallen, wie ich aufgewachsen bin, und diese biographischen Aspekte finde ich grad sehr spannend und sehr erhellend:
Unsere Eltern waren sehr jung, als sie zusammen kamen...und die Rahmenbedingungen (die äußeren ebenso, wie die inneren) zum Zeitpunkt der Eheschließung waren alles andere als einfach...
Sie waren sehr verschieden:
Unser Vater, ein liebevoller, kluger, verständnisvoller, durch und durch menschlicher Vater, Berufssoldat, mit einer tiefen Überzeugung in den Verteidigungsgedanken, und biographischer Erfahrung, daß dies notwendig ist. Seine herausragendste Eigenschaft ist vielleicht sein Verantwortungsbewußtsein für die Seinen.
Unsere Mutter, eine tapfere, kluge, gebildete Frau, gebunden in den gesellschaftlichen Zwängen der Zeit und der unmittelbaren Vorvergangeheit, mit viel freiheitlichen Gedanken und Ideen bei großer persönlicher Unsicherheit.
Ich erinnere die klare Aufforderung zum eigenständigen Denken durch beide Eltern...und die Förderung dessen....wir wurden alle 5 gleichermaßen (denke ich zumindest) gut unterstützt, die bestmögliche Aus-Bildung zu bekommen. Sich eine eigene Meinung bilden, und diese auch zu vertreten, war Prinzip...und wurde auch -soweit möglich- gelebt.
(Beispiel für die Möglichkeit eigenständigen Denkens: Zivildienst der Brüder, sowie meine Tätigkeit der Beratung von Kriegsdienstverweigerern.)
Vorgelebt wurden auch heftigste Auseinandersetzungen des Elternpaares über das Leben, Sichtweisen dazu, und die Berechtigung, so zu denken, zu sein.....ein gewisser Widerspruch zum Erziehungsprinzip...hier konnte ich sehen, daß Meinungen, Lebensweisen eine im Grunde liebevolle Beziehung (auch das war immer wieder zu sehen) massivst in Frage stellen können...
Mindestens genauso wichtig aber ist die Erfahrungen in meinen eigenen Beziehungen mit den Eltern:
Der Vater: ein sogenannter "Weg-Mann": beruflich viel unterwegs, stand im Grunde kaum zur Verfügung... das machte unsicher...wenn er da war, war es -meist- gut....
Die Mutter: aufgrund ihrer persönlichen -und biographisch völlig nachvollziehbaren- Unsicherheit sehr auf die Bestätigung der Umgebung angewiesen, lebte ein klares Prinzip: "Ihr dürft (sollt, müßt) alle eine eigene Meinung haben, die sich jedoch in wichtigen persönlichen Dingen nicht von meiner unterscheiden darf..." ..der erste Teil der Botschaft wurde offen gelebt, ausgesprochen, der zweite erfolgte subtil über Beziehungsabbruch und Liebesentzug bei Zuwiderhandlung...
Und da Beziehung ja nun mal überlebenswichtig ist, ist das ein Problem gewesen...
Zurück zum Heute:
Einerseits Meinung sagen, andererseits wegducken, Magenschmerzen bekommen....das erscheint nun, in dieser Zeit, in der ein Teil vom Schlimmsten, was ich mir vorstellen kann, passiert, noch nachvollziehbarer....ich werd mal meinen Therapeuten fragen, wie ich noch sicherer im Jetzt werden kann, damit ich gesünder zu mir stehen kann...